Sieben Streckenkilometer von Mühldorf enfernt liegt auf weiter Flur der Abzweigebahnhof Tüßling. Der gleichnamige Ort wurde bereits 711 zum ersten Mal erwähnt. Im 14. Jahrhundert bekam er das Marktrecht und wurde Hofmark. Das Schloß Tüßling wurde 1583 erbaut. Den Bahnanschluß erhielt Tüßling 1897 mit dem Bau der Strecke nach Altötting und Burghausen.
1.) Das Empfangsgebäude von Tüßling. Es entspricht dem Baustil, wie er entlang der gesamten Strecke von Mühldorf nach Freilassing zu finden ist. Identische Gebäude finden sich in Garching (km 33,9), Wiesmühl (35,8) und Laufen (53,6). Gebäude im selben Baustil, aber nur in ebenerdinger Ausführung stehen in Fridolfing (km 41,9) und Kirchanschöring (km 46,1).
2.) Vormittags treffen zwei Züge in Tüßling zusammen: der Eilzug aus München, der dort um 8:51 abfuhr und der Nahverkehrszug aus Traunstein, dessen Abfahrt dort um 9:05 war. 1989 wurde diese Leistung von einer dreiteiligen Schienenbusgarnitur gebildet. Nach eigener Beobachtung war dieser recht gut besetzt und der Anschluss Richtung Burghausen wurde auch genutzt. Einige Fahrgäste stiegen um in den Eilzug. Hier erweist sich die beidseitige Bahnsteigkante an den Tüßlinger Zwischenbahnsteigen als nützlich.
3.) Im Sommerfahrplan des vorherigen Jahres war die Zugbildung anders. Der N 6478 war ein lokbespannter Zug. Eine 218 mit zwei n-Wagen war typisch für die Traunsteiner Strecke. 218 317 kam mit dem Nahverkehrszug bereits vor dem Münchner Eilzug an und war auf Gleis 1 eingefahren.
4.) Das Stellwerk an der nördlichen Ausfahrt.
5.) Der Bahnhof Tüßling erstreckt sich von Nordwest nach Südost. Erst mit dem Bau der 'bayerischen Tauernbahn' nach Freilassing und deren Eröffnung im Jahre 1908 erhielt Tüßling seinen Bahnhof in der heutigen Lage. 11 Jahre lang verlief die ursprüngliche Trasse nach Burghausen nördlich an Tüßling vorbei – eine wesentlich kürzere Wegstrecke, aber ein ortsnaher Trennungsbahnhof, der von beiden Strecken bedient wird wäre so nicht realisierbar gewesen.
Anmerkung: der Ort der nächsten Station beim km 9,0 heißt offiziell „Heiligenstatt“. In den Kursbüchern der Bundesbahn lautete der Name allerdings „Heiligenstadt“.
6.) Tüßling im September 1989. Zu sehen ist das Stellwerk 2 an der südlichen Ausfahrt, direkt am Streckenabzweig Richtung Garching und Burghausen.
7.) In einem scharfen Bogen zweigt die Burghausener Strecke von der Hauptlinie ab. Um hinter Heiligenstadt (heute Heiligenstatt) wieder auf die ursprüngliche Trasse von vor 1908 zu treffen (siehe Karte oben).
8.) Blick von Südost nach Nordwest auf den Bahnhof mit seinen drei Durchgangsgleisen. Der Bahnhof Tüßling liegt auf einer Höhe von 401 m ü. NN.
Aus Richtung Garching sind alle drei Gleise erreichbar, aus Burghausen nur die Gleise 1 und 2. Rechts das Ladegleis an der Ladestraße ist noch verblieben. Hinten in der Ferne ist Stellwerk 1 am anderen Bahnhofskopf zu erkennen. Gleich nach Zusammenführung der Gleise führt die Strecke in den Wald Richtung Inn.
9.) Der Bahnhof wird gequert von der Bahnhofstraße, die nach Westen nach Polling führt. Bis in die 1990er Jahre bestand hier ein schienengleicher Bahnübergang mit mechanisch bedienten Schranken. Er wurde ersetzt durch eine Unterführung an der gleichen Stelle.
Wiederum ist Stellwerk 1 zu sehen. Dort wo die Strecke in den Wald hineinführt beginnt ein leichtes Gefälle (11 ‰) bis zur Innüberquerung. Auf der anderen Flussseite steigt die Strecke wieder an, bis zum Bahnhof Mühldorf, der auf 411 m ü. NN liegt.
10.) Nachmittags verlassen kurz hintereinander zwei Nahverkehrszüge den Bahnhof Mühldorf Richtung Tüßling: Um 14:33 der N 4911 nach Freilassing, gefolgt vom N 4439 nach Burghausen um 14:40.
Hier der N 4911, gezogen von 218 319, bei der planmäßigen Einfahrt in Tüßling.
11.) Aus einem mir nicht bekannten Grund erhielt dieser Zug jedoch einen längeren Aufenthalt in Tüßling. Der Lokführer hat den Motor abgestellt und unterhält sich entspannt mit dem Schaffner. Der N 4911 besteht aus drei Wagen inklusive Steuerwagen. Auch die 1. Klasse führt er mit sich, in der Mitte hängt ein ABn.
12.) Minuten später erreicht nun 218 313 mit dem N 4439 nach Burghausen den Bahnhof Tüßling auf Gleis 1. Zu diesem Zeitpunkt sollte 218 319 mit dem N 4911 eigentlich längst bereits den Bahnhof Garching (Alz) hinter sich gelassen haben. Aber der Zug steht immer noch auf Gleis 3. Wohl aber allmählich abfahrbereit.
13.) Dennoch verlässt zuerst der Burghausener Zug den Bahnhof. Für den Freilassinger Zug ist das Signal auch schon aufgezogen, er setzte sich unmittelbar darauf in Bewegung. Aber da war mein Film leider schon voll.
Der N 4439 besteht aus vier Wagen. Üblicherweise kamen auf der Burghausener Strecke keine Wendezüge zum Einsatz, im Gegensatz zur Relation Freilassing – Mühldorf – Landshut.
14.) 218 389 verlässt am 29. August 1992 den Bahnhof Tüßling mit dem E 3444 Burghausen – München und wird gleich über den Bahnübergang rollen.
15.) Hier fällt der Blick auf den letzten Wagen, bei dem es sich um einen der wenigen aus der Serie der Bnrzb 725 umgebaute Probewagen der Bauart Bnrzb 724.1 handelt. Dabei wurden die Abteilschiebetüren in zwei gegenläufige umgebaut und die Inneneinrichtung auf Schnellausbau, was dann später die die Bnrzb 724 als "Lazarettwagen" in Serie hatten.
16.) Der Gegenzug lässt nicht lang auf sich warten. Kurz nachdem der E 3444 um 15:25 in Mühldorf angekommen war, setzte sich 218 317 um 15:27 mit dem E 3441 München – Burghausen in Bewegung. Hier am Einfahrsignal Tüßling um 15:34.
218 317 wurde von Krupp gebaut und am 5.3.1975 ausgeliefert. Sie war nach 218 316 (4.2.75) und 218 315 (10.2.75) die dritte in ozeanblau-beige von Krupp gelieferte 218. Die ersten Maschinen in dieser Farbgebung erhielten ein blaues Dach, das hier schon sehr ausgeblichen ist, aber man kann es noch erahnen.
17.) Hochsommer in Tüßling 1994. Noch existiert der Bahnübergang am nördlichen Ende der Bahnsteige. Der Schienenbusbestand vom Bw Mühldorf ist schon stark gesunken. Die einzige Strecke die noch mit 798ern befahren wird ist (Mühldorf –) Garching – Traunstein. Diese Nebenbahn wurde vorerst nicht in den Linienstern Mühldorf integriert und war von der Stillegung bedroht. Auf allen anderen Strecken hatten bereits moderne 628.4 den Dienst übernommen.
Hier steht eine Dreiergarnitur als Nto 6432 Traunstein – Mühldorf auf Gleis 2 in Tüßling und wartet gegen 13:30 einen Gegenzug ab. Angeschoben wird die Garnitur von 798 729, der sich später noch bis Ende der 90er Jahre sein Gnadenbrot als Personalpendelzug zwischen München-Allach, Rangierbahnhof München Nord und München-Moosach verdiente.
Auffallend sind die einseitig zugeschweissten Dachlüfter. Hier ist die zugeschweisste Seite.
18.) Auf der anderen Seite sind die Lüfter noch vorhanden.
19.) Schließlich erfolgt die Kreuzung mit der RB 6817 Mühldorf – Burghausen. Ein symbolträchtiges Bild, ein letzter Rückblick auf den Schienenbus auf die modernere Konkurrenz. Es war gleichzeitig meine letzte Schienenbusfahrt im Mühldorfer Netz.
20.) Das Einfahrvorsignal aus Richtung Garching.
21.) Kurzer Güterzug nach Kastl oder Burghausen. 218 313 und eine weitere 218 werden am Zugschluss mitbefördert.
22.) Der Bahnübergang, der den Bahnhof Tüßling etwa in der Mitte kreuzte und inzwischen durch eine Straßenunterführung ersetzt wurde (22.08.1989).